Jüdisches Leben in Werther
Eine Veranstaltungsreihe im westfälischen Werther beleuchtet die unterschiedlichsten Aspekten jüdischen Lebens in der Region.
Der Arbeitskreis „Spuren jüdischen Lebens in Werther“ und die VHS Ravensberg in Halle (Westfalen) informieren in ihrer Veranstaltungsreihe zu den unterschiedlichsten Aspekten jüdischen Lebens in Werther in Westfalen. Es geht um Alltag und Kultur, Bildung und Sport, das Engagement von Frauen und um die Rekonstruktion von Familiengeschichten – mit Blick bis zurück in das 17. Jahrhundert.

Veranstalter
Veranstaltungen
26.08.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Publikation | Digital
Der Arbeitskreis „Spuren jüdischen Lebens in Werther“ beschäftigt sich seit 2008 mit der Geschichte der jüdischen Familien, die in der Zeit des Nationalsozialismus bis zu den letzten Deportationen 1943 in Werther gelebt haben. Jüdische Familien waren aber bereits früher in Werther ansässig. In dieser Veranstaltung werden die Ergebnisse der Spurensuche in Archiven und Sammlungen präsentiert, die bis ins ausgehende 17. Jahrhundert zur Familie Aron Levi Heinemann zurückreichen.
Moderation: Ulrich Maaß (Heimatforscher), Ute Dausendschön-Gay (Sprecherin des Arbeitskreises).
23.09.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
In dem „Butterfly-Projekt" mit Schüler*innen der Peter August Böckstiegel Kreisgesamtschule in Werther und Borgholzhausen sind die Biografien von jüdischen Kindern erarbeitet worden, die mit ihren Eltern 1942 und 1943 deportiert und in verschiedenen Konzentrationslagern ermordet wurden.
Die Lebenswege dieser Kinder, besonders das Schicksal des Borgholzhauseners Rolf Bauer, Berichte von Zeitzeug*innen über frühe Formen der Diskriminierung, denen sie ausgesetzt waren, und die Reaktion der Bevölkerung auf ihr Verschwinden stehen im Zentrum dieser Veranstaltung.
Referentinnen: Eva-Maria Eggert (Lehrerin), Ute Dausendschön-Gay.
02.09.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
Mit der Entmachtung des Reichstages und der Etablierung eines totalitären Regimes im März 1933 beginnt eine Serie von gesetzlichen Bestimmungen, mit denen die seit 1865 bestehende rechtliche Gleichstellung der jüdischen Bevölkerung systematisch rückgängig und der „legalisierte" Zugriff auf jüdische Vermögen möglich gemacht wird.
Parallel zur Entrechtung und Enteignung finden ständig bestens organisierte, oft aber auch spontane antisemitische Übergriffe statt. Sie werden für die hiesige Region mit Ausschnitten aus Gesprächen mit Zeitzeug*innen dokumentiert, die seit 2009 geführt wurden.
Moderation: Mitglieder der Arbeitsgruppe „Zeitzeugen".
28.10.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
Das beginnende 20. Jahrhundert wird oft das Jahrhundert der Frauen genannt. Die vielgescholtene jüdische Klavierlehrerin Maria Leo war Teil dieser emanzipatorischen Bewegung. Nicht vergessen ist, dass der Kampf um die Professionalisierung von Frauen als Musiklehrerinnen von der Musikpädagogin und Seminarleiterin Maria Leo geführt wurde. Sie gehört als Mitstreiterin für die Emanzipation der Frauen im Bereich der Musikerziehung an die Seite von Helene Lange, Alice Salomon und Helene Stöcker.
Der Vortrag wird von Musik aus den 20er-Jahren untermalt.
Referentin: Christine Rhode-Jüchtern (Musikwissenschaftlerin und Pianistin).
11.11.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
Äußere Zeichen einer Erinnerungsarbeit für die Zeit des Nationalsozialismus sind Gedenksteine, Mahnmale, Stolpersteine, Erinnerungstafeln oder Stelen. In Werther hat es eine lange und heftige Auseinandersetzung um einen Gedenkstein für die Opfer des nationalsozialistischen Terrors gegeben. Diese Diskussion soll als Beispiel für eine verbreitete Problematik in Deutschland nach dem Krieg verstanden werden. Eine andere Beschäftigung mit Erinnerungsarbeit wird möglich, wenn Nachkommen von Überlebenden der Shoa zu Wort kommen und ihre Lebenserfahrungen mitteilen.
Moderation: Mitglieder des Arbeitskreises.
03.12.2021 | 19.30 bis 21 Uhr
Bühne | Konzert
Die Sängerin Esther Lorenz begleitet die Zuhörer*innen auf einer musikalischen Reise durch das Judentum mit weltlichen und sakralen Liedern in Hebräisch. Die Reise schließt auch Musik des spanisch-jüdischen Mittelalters und des Ostjudentums auf Jiddisch mit ein. Die Künstlerin moderiert das Konzert außerdem mit Erläuterungen zu jüdischen Bräuchen, ergänzt durch Auszüge aus jüdischer Lyrik und Geschichte. Begleitet wird sie vom Berliner Gitarristen Peter Kuhz.
09.09.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
Mit der willkürlichen Verhaftung Tausender Jüdinnen*Juden nach der Pogromnacht am 9. und 10. November 1938 wurde auch im Ausland klar, dass die jüdische Bevölkerung in Gefahr war. Ende 1938 überzeugte eine Gruppe von Jüdinnen*Juden und Quäker*innen in Großbritannien die Regierung, Kindern die Einreise zu ermöglichen. Mehrere aus Werther stammende Kinder konnten auf diese Weise gerettet werden. Ihre Lebenswege können teilweise rekonstruiert werden. Sie sind einprägsame Beispiele für die Folgen der Zwangsmigration und auch heute von exemplarischer Bedeutung.
Moderation: Julia Sußiek (Preisträgerin des Körber Geschichtspreises), David Ellerbrake (Politologe).
16.09.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Ausstellung | Kunst
Mia Weinberg arbeitet als Künstlerin in Vancouver. Sie hat mit ihrem Vater Kurt, der 1939 mit einem Kindertransport Deutschland verlassen konnte, seine Heimatstadt Werther besucht. Ihr Vater hat dabei die Geschichte seiner Familie und der wenigen Überlebenden der Shoa erzählt.
Mia Weinberg hat dies in ihrer Installation „Fractured Legacy" (Zerbrochenes Vermächtnis) verarbeitet und dabei vor allem die Probleme der zweiten Generation von Shoa-Überlebenden sowie die Frage der kulturellen und religiösen Zugehörigkeit thematisiert.
Mia Weinberg führt durch ihre Ausstellung und leitet die anschließende Diskussion.
30.09.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
Die Familie Sachs gehört zu den Nachkommen des „Schutzjuden" Aron Levi Heinemann. In Werther wirkte sie im Viehhandel mit, in späteren Generationen hat es auch Schneider*innen und fahrende Händler*innen gegeben.
In der Veranstaltung werden die Lebenswege der fünf Kinder und der Mutter Emma Sachs bis zu ihrer Deportation und Ermordung rekonstruiert. Sie sind exemplarisch für viele vergleichbare Schicksale von Familien, die zunächst durch Migration und Vertreibung auseinandergerissen wurden, bevor sie oft im selben Konzentrationslager ermordet wurden.
Moderation: Inge Guntenhöner, Ulrich Maaß, Ute Dausendschön-Gay.
07.10.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
Julius Hesse wurde 1875 in einer jüdischen Familie in Borgholzhausen geboren. Er war Inhaber eines Sportgeschäftes in Bielefeld und wurde 1909 Präsident des DSC Arminia. Sein juristisches und kaufmännisches Geschick rettete 1910 den Verein vor der Insolvenz.
1933 wurde er zusammen mit anderen jüdischen Vereinsmitgliedern ausgeschlossen. Nach der Deportation wurde er 1944 in Auschwitz ermordet. An diesem Beispiel wird die Bedeutung jüdischer Sportler*innen für die Vereinskultur zur damaligen Zeit erkennbar gemacht.
Moderation: Eva-Maria Eggert (Lehrerin), Friedhelm Schäffer (Historiker am Kreismuseum Wewelsburg).
04.11.2021 | 18.30 bis 20 Uhr
Dialog | Vortrag
In Werther hat es bereits im 18. Jahrhundert eine Synagoge gegeben, die Mitte des 19. Jahrhunderts durch einen Neubau ersetzt wurde. Diese wurde am Tag nach der Reichspogromnacht 1938 verwüstet. Nach dem Krieg wurde das Mauerwerk als Wegbefestigung verwendet.
Der jüdische Friedhof ist nach dem Krieg mehrfach geschändet worden. Seit vielen Jahren finden dort nun Gedenkveranstaltungen am 9. November statt. Die Veranstaltung beschäftigt sich mit der symbolischen Bedeutung dieser Erinnerungsorte für das jüdische Zusammenleben.
Moderation: Sigrid Ellerbrake, Johannes Kortenbusch, Karola Eisenblätter, Ulrich Maaß.