Jüdisches Leben in Stralsund | Jahresprogramm 2021
Erinnern und Erleben
Ein großer und bunter Strauß an Veranstaltungen und Ausstellungen thematisiert über das ganze Jahr verteilt das jüdische Leben in Stralsund.
Stralsund ist für vieles bekannt: den Hafen mit Ozeaneum, die Rügenbrücke, die historische Altstadt. Was sich aber kaum im Bewusstsein verankert hat: Die Hansestadt ist auch die Wiege der deutschen Kaufhauskultur.
Noch heute sind hier zwei der deutschlandweit wenigen historischen Warenhäuser erhalten geblieben. Zum einen das 1903 errichtete Alt-Wertheim mit restaurierter Fassade und imposantem Lichthof. Außerdem ein Gebäude der Familie Tietz, das 1920 im Stil der Neuen Sachlichkeit eröffnet wurde. Die Häuser stehen für die berühmten Ketten Leonhard Tietz AG (später Kaufhof) und Wertheim, deren Ursprünge im Nordosten liegen. Biografien prägender Kaufmannsfamilien wie Wertheim, Tietz, Bach und Cohn erinnern heute an jüdisches Leben und jüdische Schicksale in Stralsund.
Verschüttete Spuren der Geschichte
Der Veranstaltungskalender der Hansestadt steht 2021 im Zeichen des Festjahres #2021JLID – 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland. In einer Vielzahl von Ausstellungen, Aktionen, Konzerten und Filmvorführungen werden lokale Zeitzeugnisse erfahrbar, Formen des Gedenkens erprobt und verschüttete Spuren von Geschichte wieder sichtbar.
In der Sonderausstellung über John Horneburg "Von mehr Leid Liedlein singen“ (bis 3. Oktober) durchleuchtet das Stralsund Museum seine eigenen Bestände und forscht nach der Herkunft von Sammlungsobjekten, die aus Kontexten nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung stammen könnten. Mit dem Antiquar Horneburg stand das Museum bis zur Auflösung seines Geschäfts 1939 in enger Beziehung.
Von Stolpersteinen bis zu jüdischen Festen und Feiern
Auch in der Stadtbibliothek wendet sich eine Ausstellung gegen Verdrängung: „Stolpersteine – Gedenken und Soziale Skulptur“ (16. April bis 26. Juli). Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Günter Demnig und werden seit 1992 verlegt. Die zehn mal zehn Zentimeter großen Gedenktafeln aus Messing werden in Gehwege eingelassen und erinnern an die Vertreibung, Deportation und Ermordung jüdischer Bürger*innen und weitere Opfer des Nationalsozialismus. Mittlerweile existieren davon in Deutschland und anderen Ländern über 75.000, auch in Stralsund erinnern über 50 Stolpersteine an ehemalige jüdische Einwohner*innen. Im Rahmen der Ausstellung, die von der Koordinierungsstelle Stolpersteine Berlin zur Verfügung gestellt wird, planen der Fotograf Jörg Zink und die „Initiative zur Erinnerung an jüdisches Leben in Stralsund“ die Verlegung weiterer Gedenktafeln.
Der Stralsunder Jörg Zink zeigt in der Kulturkirche St. Jakobi auch eine eigene Ausstellung: „Porträtaufnahmen von Mitgliedern der jüdischen Gemeinde Rostock“ (1. September bis 30. Oktober). Seine Bilder schlagen eine Brücke in die Gegenwart und zeigen religiöses jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern heute – am Beispiel von Festen und Feiern im Lebenszyklus.
Eine Reihe von Projekten zwischen Erinnern und Erleben steuert schließlich auch der Bund der Deutschen Katholischen Jugend Berlin zum Stralsunder Veranstaltungsjahr bei: Neben „Jüdischen Filmtagen“ und „Jüdischem Imbiss“ mit koscherem Essen (beides vom 23. bis 29. August im Bürgergarten Stralsund) wird in der Kulturkirche St. Jakobi die Wanderausstellung „Un-er-setz-bar“ gezeigt, die sich fünf Überlebenden des Holocaust und ihren Familien widmet. Eigens für die Ausstellung geführte filmische Interviews sowie Fotografien erzählen von Verfolgung, Widerstand und Rettung. Entstanden sind eindringliche Vermächtnisse, die an nachfolgende Generationen weitergegeben werden sollen.
Veranstalter
Veranstaltungen
19.03. bis 03.10.2021 | 10 bis 18 Uhr
Ausstellung | Geschichte
Das Stralsund Museum erforscht im Jahr 2021 erstmals die Herkunft der Sammlungsobjekte, die im Verdacht stehen, aus nationalsozialistisch-verfolgungsbedingten Kontexten zu stammen.
Die Ausstellung zu dem Antiquar John Horneburg, mit dem das Museum bis zur Abwicklung seines Antiquariats im Jahr 1939 in enger geschäftlicher Beziehung stand, gibt einen punktuellen Einblick in die Bedeutung der Provenienzforschung für das Stralsund Museum.
06. bis 24.04.2021 | 12 bis 18 Uhr
Ausstellung | Geschichte
Der Förderverein Historische Warenhäuser Wertheim und Tietz in Stralsund e.V. stellt in seiner Ausstellung am Standort Stralsund der Kreisvolkshochschule Vorpommern-Rügen Orte jüdischer Geschichte sowie Biografien prägender Kaufmannsfamilien in Stralsund vor.
In der Ossenreyerstraße stehen noch heute zwei der deutschlandweit wenigen erhalten gebliebenen historischen Warenhausbauten: Das 1903 errichtete Alt-Wertheim mit seiner großartigen restaurierten Fassade und seinem imposanten Lichthof sowie ein Gebäude der Familie Tietz, das am Ende der 1920er-Jahre im Stile der Neuen Sachlichkeit eröffnet wurde. Diese Gebäude stehen für die beiden Warenhausketten Leonhard Tietz AG (später Kaufhof) und Wertheim, deren Ursprünge in Stralsund liegen. Damit kann Stralsund als Wiege der deutschen Warenhauskultur angesehen werden.

23.04.2021 | 19.30 bis 21 Uhr
Bühne | Lesung
„Der wiedergefundene Freund“ von Fred Uhlman ist ein kleines, bewegendes Meisterwerk in Moll. Eine Novelle der besonderen Art wird hier zu Gehör gebracht. Zwei 16-jährige Jungen verbindet eine besondere Freundschaft. Beide fühlen ein geradezu magisches Einverständnis. Einzig trennend sind ihre Religionen. Einer ist Christ, der andere einer jüdischen Familie angehörig. Zwei Welten, an denen die Freundschaft zerbricht. Wir schreiben das Jahr 1933 in Deutschland ...
06.05.2021 | 20 bis 21.30 Uhr
Film | Film
Berlin, 1933: Anna ist erst neun Jahre alt, als sich ihr Leben von Grund auf ändert – um den Nazis zu entkommen, muss ihr Vater nach Zürich fliehen; seine Familie folgt ihm kurze Zeit später. Anna lässt alles zurück, auch ihr geliebtes rosa Stoffkaninchen, und muss sich in der Fremde einem neuen Leben voller Herausforderungen und Entbehrungen stellen. Eine berührende Geschichte über Zusammenhalt, Zuversicht und darüber, was es heißt, eine Familie zu sein – einfühlsam inszeniert von Oscar-Preisträgerin Caroline Link.
11.06.2021 | 20 bis 22 Uhr
Bühne | Konzert
Klarinettentrios von Robert Kahn und Alexander von Zemlinsky.
Musiker*innen:
Mari Namera, Klavier
Steffen Dillner, Klarinette
Friederike Fechner, Violoncello
01.09. bis 30.10.2021 | 11 bis 17 Uhr
Ausstellung | Kunst
Der Stralsunder Fotograf Jörg Zink stellt im Rahmen des bundesweiten Festjahres #2021JLID – 1700 Jahre Jüdisches Leben in Deutschland in der Kulturkirche St. Jakobi Porträtaufnahmen aus der jüdischen Gemeinde Rostock aus.
Die Fotografien geben einen spannenden Einblick in jüdisches Leben in Mecklenburg-Vorpommern. So zeigen sie zum Beispiel den Gebetsraum in der Rostocker Synagoge sowie jüdische Feste und Feiern im Lebenszyklus.
Begleitend zur Fotoausstellung werden alte Judaica-Objekte – u. a. Zeitungen, Bücher, Fotos, Postkarten, Chanukkaleuchter, Schabbatleuchter, ein Toramantel oder ein Vorhang vom Toraschrank – präsentiert.
23. bis 29.08.2021 | 12 bis 20 Uhr
Event/Festival | Event/Festival
Shalom – Jüdische Filmtage
Filmstart jeweils 17 und 20 Uhr
Gezeigt werden Filme über gegenwärtiges jüdisches Leben.
Der Eintritt ist frei.
Shalom – Jüdischer Imbiss
Jeweils 12 bis 20 Uhr.
Koscheres Essen für jedermann.
31.10. bis 31.12.2021
Ausstellung | Geschichte
Eine Wanderausstellung des Erinnerungsortes Topf & Söhne
Das Zeugnis der letzten Überlebenden nationalsozialistischer Vernichtung birgt eine große Chance. Ihre Botschaft – die Grundsolidarität des Menschen mit dem Menschen – ist die Substanz für eine weltoffene, menschliche Zukunft. Die Ausstellung ist fünf Überlebenden und ihren Familien gewidmet. Ihr Leben bezeugt verschiedene Dimensionen der nationalsozialistischen Verfolgung, des Widerstands und der Rettung. Eigens für die Ausstellung geführte Filminterviews und Fotografien berichten von der Kindheit, den Lagererfahrungen und dem Schicksal der Familien. In der Ausstellung formulieren die Überlebenden ihr Vermächtnis an die nachfolgenden Generationen.
02.08. bis 17.12.2021 | 9 bis 19 Uhr
Dialog | Workshop
Eintägiger Workshop zum Thema Antisemitismus für Multiplikator*innen, Schüler*innen sowie alle Interessierten.